«Die Welt kann man nicht zum Nulltarif retten»
(Erschienen in der Sonderbeilage Nachhaltigkeit vom Tagesanzeiger am 17.12.2025)
Nach zwölf prägenden Jahren übergibt Peter Schwägli die Leitung des Geschäftsbereichs «Licht» bei der ELEKTRON AG an Philippe Kleiber. «Fokus» unterhielt sich mit den beiden über eine Branche im Umbruch, den Abschied von der Wegwerfmentalität – und warum wir Licht künftig als Dienstleistung beziehen werden.
Herr Schwägli, per Ende dieses Jahres übergeben Sie das Zepter – oder besser gesagt die Fackel – an Philippe Kleiber, Ihr Nachfolger als Geschäftsführer «Licht» bei der ELEKTRON AG. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf diesen Moment?
Peter Schwägli: Ich bin sehr glücklich mit der Situation für die Nachfolgeregelung: Philippe Kleiber und ich kennen uns schon lange und er bringt viel Erfahrung und Branchenwissen mit. Das erlaubt es mir, beruhigt in die nächste Phase meiner Karriere überzugehen. Im Wissen, dass das Team in den besten Händen ist.
Was hat die letzten zwölf Jahre für Sie besonders geprägt?
Peter Schwägli: In dieser Zeit hat sich in der Lichtbranche fast alles verändert. Die «LED-ifizierung» war sicher der fundamentalste Wandel – und ich fand mich mitten in dieser Entwicklung wieder. Die Digitalisierung hat die Branche revolutioniert und sehr viel Potenzial mit sich gebracht: vernetzte Infrastrukturen, Steuerung und Monitoring mit modernen Lichtmanagementsystemen, enorme Effizienzsteigerungen. Es war ein echter Paradigmenwechsel und entscheidender Schritt in Richtung Smart City.
Herr Kleiber, wie gross fühlen sich die Fussstapfen an, in die Sie treten?
Philippe Kleiber: Ich habe grossen Respekt vor meiner neuen Aufgabe – vor allem, wenn ich sehe, was Peter hier aufgebaut hat. Das verdient ein klares «Chapeau». Gleichzeitig freue ich mich sehr über die hervorragende Ausgangslage: Wir haben ein starkes Team und eine gut aufgestellte Firma. Das gibt uns die Basis, um die grossen Zukunftsthemen anzugehen. Denn auch wenn die LED-Umrüstung bald weitestgehend abgeschlossen ist, stehen spannende neue Möglichkeiten vor der Tür. Mein Ziel ist klar: ELEKTRON soll weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen.
Als ehemaliger Geschäftsführer der Schweizerischen Lichtgesellschaft (SLG) bringen Sie hier sicher wertvolle Erfahrung mit.
Philippe Kleiber: Ja, absolut. Das Netzwerk, das ich in dieser Zeit aufbauen konnte, ist ein echter Pluspunkt. Noch wichtiger aber: Ich habe hautnah miterlebt, wie viel Potenzial im Energiesparen steckt, besonders bei der Beleuchtung. Licht ist in der Schweiz der einzige Bereich, dessen Energieverbrauch tatsächlich sinkt – während andere Sparten eher zulegen. Das zeigt, wie viel wir hier schon erreicht haben und wie spannend die Zukunft bleibt.
Die Kombination aus Big Data und KI wird den nächsten grossen Innovationsschub auslösen. Die Informationen sind da, aber um sie proaktiv zu nutzen, brauchen wir KI.
Welche Themen werden die öffentliche Beleuchtung künftig verändern?
Peter Schwägli: Die nachhaltige Wirtschaftlichkeit rückt noch stärker in den Fokus. Nehmen wir Strassenleuchten: Wir nutzen für deren Produktion hochwertige Materialien wie Aluminium, da die Anlagen sehr exponiert sind. Man geht bei Leuchten von Nutzungszyklen von etwa 20 Jahren aus. Aluminium hat aber eigentlich einen Lebensdauer von 60 Jahren und verursacht bei der Produktion den grössten CO₂-Footprint. Da stellt sich die zwingende Frage: Warum sollten wir das Gehäuse nicht ein zweites Mal nutzen? Ein «Second Life» macht hier enorm Sinn. Unsere hochwertigen Leuchten von unserem Partner Signify werden bereits heute so nachhaltig wie möglich hergestellt: ohne Klebstoffe, aus über 88 Prozent recyceltem Aluminium. Wenn wir die Nutzungsdauer dieser Leuchten nun verdoppeln, wäre der positive Impact sogar noch grösser.
Just in diesem Jahr hat ELEKTRON mit der Luma gen1 UP die erste zirkuläre Strassenleuchte der Branche lanciert. Was zeichnet diese aus?
Peter Schwägli: Wir schenken der bewährten Leuchtenfamilie Luma gen1 mittels Upgrade-Kit ein zweites Leben. Die LED-Technik wird ausgetauscht und Schnittstellen für die Vernetzung werden integriert, das Gehäuse weiterverwendet. Der Umbau erfolgt hier in der Schweiz durch soziale Institutionen. Unser Ziel bei der Lancierung war kompromisslos: Eine Reduktion der CO2-Emissionen von über 75 Prozent im Vergleich zur Produktion einer neuen Leuchte und eine viel höhere Energieeffizienz. Zudem erhalten unsere Kunden die gleiche Gewährleistung wie bei neuen Leuchten.
Setzen Sie für eine umweltschonende Beleuchtung nur bei Second-Life-Konzepten an?
Peter Schwägli: Neben dem Thema «Refurbishment» (Second-Life-Konzepte), das wir uns gross auf die Fahne geschrieben haben, bleibt unser Ziel damals wie heute das gleiche: Durch professionelle Lichtplanung realisieren wir mit unseren Kunden energieeffiziente Anlagen, die einen minimalen Eingriff in die Biodiversität verursachen. All dies selbstverständlich im Einklang mit den etablierten Anforderungen an die Verkehrssicherheit.
Welche Lösungen hält die ELEKTRON dafür bereit?
Philippe Kleiber: Dank Digitalisierung und Sensorik können wir heute Beleuchtungslösungen umsetzen, die vor wenigen Jahren undenkbar waren: bewegungsabhängige Lichtkonzepte im öffentlichen Raum, gezielte Beleuchtung von Fussgängerstreifen – alles intelligent gesteuert. Unser Ziel ist ambitioniert: Mit LED-Technologie, smarter Steuerung und gezieltem Dimmen wollen wir bis zu 90 Prozent Energie gegenüber herkömmlichen Beleuchtungstechniken einsparen. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern bietet unseren Kunden echten Mehrwert.
Peter Schwägli: Wir sind noch einen Schritt weitergegangen: Seit 2021 sind alle unsere Leuchten klimafreundlich mit CO2-Zertifikat erhältlich, wobei Beiträge in lokale und globale Klimaprojekte fliessen. Jetzt folgte dieses Jahr die erste zirkuläre Strassenleuchte – ich bin gespannt auf die Entwicklung der kommenden Jahre.
Dank Digitalisierung und Sensorik können wir heute Beleuchtungslösungen umsetzen, die vor wenigen Jahren undenkbar waren.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei der Beleuchtung von morgen?
Peter Schwägli: Die Kombination aus Big Data und KI wird den nächsten grossen Innovationsschub auslösen. Die Informationen sind da, aber um sie proaktiv zu nutzen, brauchen wir KI. Stellen Sie sich beispielsweise vor, wie sich grosse Menschenmassen nach einem Fussballspiel durch eine Stadt bewegen. Das Lichtmanagementsystem muss proaktiv wissen, wann und wo es heller sein muss, um die Leuchten optimal zu dimmen. Das funktioniert nur mit intelligenter Datenverarbeitung.
Der Satz «Nachhaltigkeit muss man sich leisten können» hält sich hartnäckig. Was entgegnen Sie darauf?
Peter Schwägli: Nachhaltigkeit kostet. Die Frage ist nur: wann und wie viel? Die Welt lässt sich nicht zum Nulltarif vom CO₂ befreien. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit lassen sich vereinen, wenn Engagement und Überzeugung vorhanden sind, einen Weg zu gehen, ohne das genaue Ziel zu kennen. Dafür braucht es Engagement, Resilienz und Durchhaltevermögen von allen Beteiligten.
Ich bin überzeugt, wenn die CO₂-Reduktion ein offizielles Preisschild hätte, wäre vieles einfacher. So wüssten unsere Kunden schwarz auf weiss, dass die Massnahmen, die wir heute umsetzen günstiger sind, als wenn wir erst in 10 Jahren damit anfangen. Denn wer wirklich nachhaltig sein will, sollte nicht nur das Produkt, sondern den ganzen Lebenszyklus von der Produktion über den Betrieb bis zum Refurbishment betrachten.
Philippe Kleiber: Mein Credo ist: Wir müssen Dinge nicht nur planen, sondern umsetzen und für unsere Kunden spürbar machen. Nachhaltigkeit darf kein Schlagwort sein, sie muss erlebbar werden.
Wo geht die Reise hin?
Philippe Kleiber: Wir denken bereits neue Geschäftsmodelle an. Ein besonders spannendes Feld ist «Light as a Service»: Vielleicht verkaufen wir künftig keine Leuchten mehr, sondern stellen Licht als Dienstleistung bereit. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, langfristig zu planen und Ressourcen zu schonen. Aber dafür braucht es mehr als uns als Anbieter: Auch unsere Kunden und Partner müssen bereit sein, gemeinsam nachhaltig und kreativ zu denken. Nur zusammen können wir diese Zukunft gestalten.